High Tech aus der Natur

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High Tech aus der Natur

 

Dass „gegen alles ein Kraut gewachsen“ ist, wussten heilkundige Männer und Frauen rund um den Globus schon immer. Seit Kurzem entdeckt aber auch die moderne schulmedizinische Wissenschaft, dass in vielen altbekannten Heilpflanzen mehr drin steckt als gedacht.

von Karsten Kulms

 

Viele Wirkstoffe, die heute in ganz „alltäglichen“ Medikamenten wie Kopfschmerztabletten oder Medikamenten gegen Bluthochdruck zu finden sind, haben ihren Ursprung in der Natur. Das bekannteste Beispiel dafür ist die Rinde des Weidenbaums, die den Wirkstoff Salicin enthält. Dieser wird im Körper zur Acetyl-Salicylsäure, besser bekannt unter dem Kürzel ASS, umgebaut. Wurde diese Rinde in alten Zeiten ausgekocht und als Heiltee gegen Fieber und Schmerzen aller Art angewendet, so findet sich ASS, im Labor chemisch nachgebaut, heute in vielen wohlbekannten Schmerzmitteln wieder. Auch die Wirkstoffe des Johanniskrauts, das in den Medizinbüchern der mittelalterlichen Klostermedizin des 8. Jahrhunderts erstmals zur Behandlung von „Melancholie“ genannt wird, haben ihren Weg in die Labore der modernen Medizin gefunden. Sie werden dort als Hyperforin synthetisch hergestellt und bei der Behandlung von nervöser Unruhe und leichter depressiver Verstimmungen angewendet.

 

Von der Natur ins Labor

Die Inhaltsstoffe altbekannter Heilpflanzen und andere Substanzen aus der Natur rücken zunehmend ins Interesse der modernen Wissenschaft. Schon seit Längerem ist bekannt, dass beispielsweise Tiergifte bestimmte Substanzen beinhalten, die sich sehr gut zur Behandlung auch schwerer Krankheiten eignen. So finden sich etwa im Gift bestimmter Schlangen Substanzen, die im Labor nachgebaut als ACE-Hemmer zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt werden. Ein Polypeptid der Gila-Krustenechse kommt in synthetischer Form zur Behandlung von Diabetes Typ 2 zur Anwendung.

 

Forschung im Aufwind

Ganz aktuelle Forschungen beschäftigen sich auch mit sogenannten „endophytischen“ Pilzen, also Pilzen, die als Schmarotzer im Inneren von Pflanzen leben. Sie ernähren sich von den Nährstoffen der Pflanze, helfen ihr aber auch, indem sie antibakterielle und andere Substanzen bilden, die ihren Wirt vor Krankheitserregern schützen. Diese Pilze sind deshalb für die medizinische Forschung so interessant, weil ihre Inhaltsstoffe ganz anders funktionieren als bisher bekannte Wirkstoffe. Dadurch wird es möglich, ganz neue Behandlungsstrategien gegen Krankheiten zu entwickeln, bei denen konventionell eingesetzte Wirkstoffe aufgrund von zunehmenden Resistenzen der Krankheitserreger ihre Wirksamkeit verlieren.

 

So entdeckten Wissenschaftler am Institut für Pharmazeutische Biologie und Biotechnologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in einer afrikanischen Heilpflanze einen Pilz, dessen wirksame Substanz Chlorflavonin antibakteriell gegen den Erreger der Tuberkulose wirkt. Dieser Wirkstoff ist vor allem deshalb so interessant für die Wissenschaft, weil er auch gegen multi- und sogar extremresistente Erregerstämme der Tuberkulose wirkt. Und allmählich wird deutlich, dass sich vor dem Hintergrund der zunehmenden Erregerresistenzen auch anderer gefährlicher Krankheiten ein genauer Blick in die Natur zunehmend lohnt.

 

 

Quelle: S&D Verlag GmbH, Geldern