Medizin im Takt

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Chronotherapie         

Medizin im Takt

 

 

Unsere innere Uhr beeinflusst Lebensrhythmus und Gesundheit. Kommt sie aus dem Takt, kann die Chronotherapie helfen – ein noch recht junger Behandlungsansatz mit viel Potenzial, auch in der Krebstherapie.   

VON ANDREA NEUEN

 

 

Essen, schlafen, wach werden: Der Wechsel von Tag und Nacht bestimmt unseren Lebensrhythmus. Auch viele Körperfunktionen orientieren sich am 24-Stunden-Takt: Körpertemperatur, Energiestoffwechsel und Hormonausschüttung gehören dazu. Der Taktgeber ist unsere innere Uhr, die in jeder Körperzelle tickt und vom Gehirn gesteuert wird. Sie folgt einem Rhythmus von ungefähr 24 Stunden, dem sogenannten zirkadianen Rhythmus. Und der ist recht störanfällig.

Schon die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit oder ein Langstreckenflug mit Zeitverschiebung können den Turnus durcheinanderbringen. Den berüchtigten Jetlag mit bleierner Müdigkeit und massiven Konzentrationsproblemen kennen viele Menschen aus eigener Erfahrung. Zum Glück wird der Körper mit solchen Zwischenfällen innerhalb weniger Tage wieder allein fertig – und dann läuft die innere Uhr wieder reibungslos.  

 

 

 

Gestörter Ablauf  

Anders bei Menschen, deren Rhythmus dauerhaft aus dem Takt gerät, etwa durch Schicht-, Nachtarbeit oder Schlafprobleme. Bei ihnen kommt es oft zu einer chronischen Störung des zirkadianen Systems – mit weitreichenden Folgen für die Gesundheit. Ein permanent gestörter Biorhythmus wird unter anderem mit Krankheiten wie Diabetes, Krebs, Depressionen und Alzheimer in Verbindung gebracht.

Abhilfe schaffen kann die Chronotherapie. Sie zielt darauf ab, den inneren Rhythmus zu stabilisieren – zum Beispiel durch eine Lichttherapie und einen festen Aktivitäts- und Essenszeiten. Auch vom Arzt verordnete Medikamente, die auf die körpereigenen Hormone Cortisol und Melatonin wirken, können das zirkadiane System wieder ins Lot bringen.  

 

 

 

Zur richtigen Zeit

Studien haben gezeigt, dass der zirkadiane Rhythmus nicht nur wichtige Körperfunktionen lenkt, sondern auch die Wirkung von Arzneistoffen beeinflussen kann. Konkret bedeutet das: Wie gut Medikamente helfen, kann vom idealen Einnahmezeitpunkt abhängen. Hier setzt ein zweiter Schwerpunkt der Chronotherapie an.

Eine effektivere Behandlung und weniger Nebenwirkungen – das erhofft sich die Medizin von der Abstimmung der Arzneimittelgabe auf die innere Uhr des Patienten.  Zum Beispiel in der Krebstherapie. Untersuchungen an der Berliner Charité haben gezeigt: Wird eine Chemotherapie zu einem Zeitpunkt verabreicht, wenn sich die Tumorzellen gerade teilen, können sie am effektivsten bekämpft werden. Erste Studien mit Krebspatienten legen zudem nahe, dass die Nebenwirkungen mit Hilfe der Chronotherapie deutlich reduziert werden können. Bisher haben die Studienergebnisse zwar noch nicht zu konkreten Therapieempfehlungen geführt, doch läuft die Forschung auf Hochtouren.

 

 

 

 

Quelle: S&D Verlag GmbH, Geldern – https://leserservice.sud-verlag.dehttps://leserservice.sud-verlag.de