Klimawandel gefährdet Arzneikräuter

druckendruckenvorlesen vorlesen

Der Klimawandel verändert das Leben auf unserem Planeten. Sind auch unsere Heilpflanzen in Gefahr?

Überall auf der Welt bedrohen zunehmende Wetterextreme den Bestand vieler Heilkräuter und ihre medizinische Wirksamkeit. Diese dramatische Entwicklung beobachten Wissenschaftler schon seit einiger Zeit. Aktuelle Erkenntnisse haben Forscher um die Wissenschaftlerin Dr. Wendy L. Applequist vom Missouri Botanical Garden in St. Louis kürzlich im Fachjournal Planta Medica veröffentlicht.

Risikofaktor Erderwärmung

Zu den akuten Arzneipflanzen-Bedrohungen, die direkt oder indirekt mit dem Klimawandel in Zusammenhang stehen, gehören steigende Temperaturen, Trockenheit und Dürren, aber auch Starkregen, zu viel Kohlendioxid (CO2) in der Luft sowie die zunehmende Verbreitung von Schädlingen und Krankheitserregern.

In ihrem Fachbeitrag weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass der Bestand zahlreicher Arzneipflanzen bereits durch nicht nachhaltigen Anbau mit Überernten gefährdet ist. Der Klimawandel könnte die Situation nun weiter verschärfen und ein Aussterben mancher Kräuter zur Folge haben. Und nicht nur das: „Verbleibende Heilpflanzen wachsen schlechter und sind von geringerer Qualität“, mahnen die Autoren. Inhaltsstoffe und medizinische Wirkung könnten sich nachteilig verändern – schlimmstenfalls würden die Arzneikräuter ihre positiven gesundheitlichen Eigenschaften verlieren.

Globale Folgen

Bei uns erfreut sich die Pflanzenmedizin zunehmender Beliebtheit, wenn es darum geht, Krankheiten vorzubeugen und gesundheitliche Beeinträchtigungen natürlich zu behandeln. Bei schwerwiegenden Erkrankungen werden die grünen Helfer oft unterstützend zu konventionellen Therapien eingesetzt. Diese Möglichkeit haben die Menschen in weiten Teilen der Erde nicht: Insbesondere in Entwicklungsländern sind pflanzliche Mittel nach wie vor die Hauptmedikamente für einen Großteil der Bevölkerung, mitunter sogar die einzig verfügbare Medizin.

Unter dem drohenden Rückgang der Arzneipflanzen-Vielfalt und seinen Folgen würden voraussichtlich insbesondere kleinere Volksgruppen und indigene Stämme leiden. Die heute am stärksten gefährdeten Pflanzen gedeihen in alpinen Regionen und in nördlichen Breitengraden.

Überleben sichern

Verändert das Klima den ursprünglichen Lebensraum, haben Pflanzen unterschiedliche Möglichkeiten, ihr Überleben zu sichern: Sie können versuchen, sich den neuen Bedingungen anzupassen oder in benachbarte Regionen „auszuwandern“. Nach Einschätzung der Forscher sind einige Arzneipflanzen
dazu aber vermutlich nicht in der Lage oder schaffen es nicht rechtzeitig, einen neuen Lebensraum zu finden.

Ein Beispiel ist die Heilpflanze Tylophora hirsuta, die zur Behandlung von Asthma und Harnwegsinfekten eingesetzt wird. Sie wächst heute in einigen Gebieten Pakistans.  Ihr wird ein vollständiger Verlust dieses Lebensraumes vorausgesagt. Auch Weihrauch und Amerikanischer Ginseng gehören zu den Gewächsen, die durch den unheilvollen Mix aus Überernten und Klimawandel in großer Gefahr sind.

Handeln tut Not

Gelingt es nicht, den Klimawandel nachhaltig zu bekämpfen, empfiehlt das Forscherteam um Dr. Wendy L. Applequist, Arzneipflanzen vermehrt in Gemeinschaftsgärten anzubauen. So könne der lokale Zugang zu den Kräutern erhalten bleiben. Zudem sollten Bauern zeitnah in der nachhaltigen Bewirtschaftung ihrer Wiesen und Felder sowie in der Überwachung der Pflanzenqualität geschult werden.

Einen letzten Ausweg sehen die Forscher in einer vom Menschen unterstützten Umsiedlung bedrohter Pflanzen in neue Lebensräume und darin, eine standortunabhängige Saatenbank anzulegen.

Quelle: S&D Verlag GmbH, Geldern

Bildnachweis: ©yakovlevadaria – stock.adobe.com