Schmutzige Schokolade

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Etwa neun Kilo Schoki vertilgt durchschnittlich ­jede*r von uns pro Jahr – oft ahnungslos darüber, unter welchen Bedingungen sie produziert wird. Wer mit gutem Gewissen naschen will, sollte die Augen nicht verschließen, sondern genau hinschauen.

Wir schmecken es nicht, aber in der süßen Sünde steckt ganz schön viel Wasser: rund 1.700 Liter pro Tafel. Der Grund: Um ein Kilogramm Kakao zu ernten, sind bis zu 20.000 Liter des kostbaren Nasses vonnöten. Kein Wunder, dass der Wasser-Fußabdruck für die Bohnen riesig ist: Er macht etwa 16 Prozent der nach Deutschland importierten landwirtschaftlichen Produkte aus.

Riesig ist auch die Anbaufläche, die benötigt wird, um den weltweiten Schokoladenhunger zu stillen: Um in den Hauptanbaugebieten Ghana und Elfenbeinküste für den anspruchsvollen Theobroma cacao, also ­Kakaobaum, Platz zu schaffen, wird rücksichtslos gerodet – an der Elfen­beinküste fielen 90 Prozent des Waldes der Pflanzung der Malvengewächse zum Opfer. Auch an vielen anderen Orten muss der (Regen-)Wald Theobroma-Plantagen weichen, was nicht nur die biologische Viel­falt massiv bedroht, sondern auch zur Erosion des Bodens und oft zum Verlust seiner Fruchtbarkeit führt. Hohe Treibhausgasemissionen bei der Herstellung von Schokolade – laut Berechnungen des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung im Auftrag des Umweltbundesamtes verursacht schon eine Tafel 410 Gramm CO₂  – sind noch lange nicht das Ende der Negativ-Fahnenstange. Und dass in vielen Schokoprodukten neben Kakao auch Palmöl steckt, vergrößert all diese Pro­bleme immens; genau wie die Milchzugabe bei Vollmilchschokolade.

Ausbeutung der ­Arbeiter*innen

Die häufig übermäßig eingesetzten Pes­tizide und Düngemittel treiben Raubbau an der lokalen Boden- und Wasserquali­tät – und nicht minder am menschlichen Körper. Für die im Anbau Beschäftigten eine massive gesundheitliche Belastung. Denn Schutzmaßnahmen gibt es kaum; Ausbeutung und schlechte Arbeitsbedingungen sind bei Kakaobäuerinnen und -bauern oft an der Tagesordnung. Die Bezahlung ist mies, Zwangs- und Kin­derarbeit noch immer alles andere als ausgerottet. Insbesondere in West­af­rika schuften teilweise schon die Kleinsten unter gefährlichen Bedingungen auf den Plantagen, ohne Hoffnung auf Bildung und eine kindgerechte Entwicklung. Zwar gab es in den letzten Jahren diverse Bemühungen, Armut und Entwaldung zu reduzieren. Doch der Milliardenmarkt Schokolade wird von wenigen Großkonzernen dominiert; von den enormen Umsätzen kommt bei den Arbeiter*innen nach wie vor meist viel zu wenig an, und die Abholzung schreitet weiter fort. Das 2024 verabschiedete europäische Lieferkettengesetz könnte Hungerlöhnen und umweltrechtlichen Verstößen entgegenwirken, doch bleibt, bis es tatsächlich in Kraft tritt, eine Über­gangsfrist von drei Jahren – und dann betrifft es zunächst nur Firmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und über 1,5 Milliarden Euro Umsatz.

Verzicht? Bitte nicht!

Falls Sie jetzt schon gedanklich dabei sind, die braune Leckerei schweren Her­zens von Ihrer Shoppingliste zu streichen – lassen Sie’s. Kein Kauf ist auch keine Lösung! Denn schließlich stellt der Kakaoanbau für viele Menschen ihre Le­bensgrundlage dar. Ein Arbeitsfeld, das durch den Klimawandel ohnehin bereits bedrohlich schrumpft: Dürreperioden und Überflutungen machen ganze Ernten zunichte, schaden der Qualität und reduzieren insgesamt die Erträge. Umso wichtiger, dass wir Schokolade als das sehen, was sie ist: ein besonderes Produkt, das wegen seiner aufwendigen Herstellung viel Wertschätzung und einen angemessenen Preis verdient.

Übrigens auch aufgrund seiner positiven Effekte für unser Wohlbefinden! Ins­be­sondere dunkler Schokolade wird et­wa aufgrund der im Kakao enthaltenen Flavonoide, sekundäre Pflanzenstoffe, ei­ne Gesundheit verbessernde Wirkung nach­gesagt. Der Verzehr der Süßigkeit soll aber nicht nur vitaler, sondern auch glücklicher machen: Forschende fanden heraus, dass der Schmelzprozess im Mund dafür mitverantwortlich ist; wir schütten Glückshormone dabei aus. Zudem weckt Schoki-Genuss bei uns die Erinnerung an schöne Erlebnisse, etwa in der Kindheit.

Siegelsichere ­Schokolade

Bewusster Verzehr ist also durchaus erlaubt – wenn wir zu Schokolade greifen, die unter nachhaltigen und ethisch verantwortungsvollen Gesichtspunkten hergestellt wurde. So sollte in der Süßware möglichst kein Palmöl enthalten sein; in Tafelschokolade steckt es sel­te­ner, in Produkten wie Pralinen, Schokoaufstrich und -riegeln dagegen sehr oft. In diesen Fällen die Rippenware vor­ziehen, idealerweise vegane Varianten. Ach­ten Sie zudem auf zertifizierte Scho­ki; die verschiedenen Logos stellen zumindest ein gewisses Maß an Umweltverträglichkeit und Schutz vor Ausbeutung sicher. Ausgezeichnet sein soll­ten die Tafeln für fai­re Handelspraktiken und biologischen Anbau der Inhaltsstoffe. Neben Fairtrade- und dem EU-Bio-Siegel gibt es auch Kombi-Labels, die beide Gesichts­punkte vereinen, etwa Naturland Fair, Fair for Life und GEPA fair+. Empfehlens­wert ist auch ein Blick jenseits herkömmlicher Supermarktregale: Kleine, un­abhän­gige Hersteller arbeiten oftmals direkt mit Kakaobäuerinnen und -bauern zusammen (erkennbar am Di­rect-­Trade-Siegel) und zahlen höhere Löhne.

Quelle: S&D Verlag GmbH, Geldern – leserservice.sud-verlag.de

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