So wirkt der Wald

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Forscher*innen sagen: Verweilen Sie jede Woche für zwei Stunden unter Bäumen und Sie sind glücklich und gesund. 

Der Boden federt feucht unter den Füßen, wir hören das Laub rascheln und in die Nase steigt ein erdig-moosiger Duft. Einen Spaziergang im Wald genießen wir mit allen Sinnen. Vor allem in stressigen Lebensphasen zieht es viele von uns hierhin, weil wir wissen: Es tut einfach gut, unter einem Schatten spendenden Blätterdach zu schlendern und die vielen verschiedenen Grüntöne von Farnen und Wildkräutern auf sich wirken zu lassen. So geht „Waldbaden“, dieser Begriff hat sich inzwischen etabliert. Gemeint ist das sinnliche Eintauchen in die einzigartige Waldatmosphäre. Weltweit haben Wissenschaftler*innen untersucht, was dabei im Körper und im Geist passiert, und sie bestätigen, was wir instinktiv immer schon spürten. 

„Der Wald gehört zu den besten Tankstellen, um seine Batterien wieder aufzuladen.“

(Ernst Fertl)

Wir stehen im Wald und es geht uns gut. Expert*innen sagen: Das liegt an der guten Waldluft. Sie ist ein Potpourri gesundheitsfördernder Substanzen. Rund 2.000 bioaktive Duftstoffe tummeln sich in ihr, allen voran sogenannte Terpene. Dies sind ätherische Öle, die auf uns beruhigend wirken, weil sie helfen, die Ausschüttung von Stresshormonen zu reduzieren. Gleichzeitig fördern die Baumaromen die Bildung eines ganz bestimmten Wohlfühl-Botenstoffs. Die Rede ist vom unaussprechlichen Dehydroepiandrosteron, kurz DHEA, ein Steroidhormon, das den Muskelaufbau fördert, die Knochen stabilisiert, das Herz ebenso wie das Immunsystem stärken soll. Mehr noch: Es gilt als natürlicher Cortisol-Gegenspieler und hat eine stimmungsaufhellende Wirkung. Auf den Lichtungen tief einzuatmen, bringt also den entspannenden Effekt: Sorgen sind wie weggepustet, der Kopf wird frei, das Herz schlägt ruhiger. Studien haben ergeben: Schon nach fünf Minuten sinkt der Blutdruck und der Puls normalisiert sich. Der Wald als Krafttankstelle für Körper und Seele sorgt dafür, dass wir ihn gestärkt wieder verlassen – und immer wieder zu ihm zurückkehren wollen.

„Frieden findet man nur in den Wäldern.“

(Michelangelo)

In Wäldern mit vielen Fichten, Kiefern und Tannen ist die Dichte an therapeutisch wirksamen Terpenen am höchsten. Ihre Nadeln, Zapfen und Zweige verströmen diese unverkennbaren Duftmoleküle, mit denen die Bäume untereinander kommunizieren. Auf diese Weise warnen sie sich gegenseitig vor Schäden durch Fressfeinde oder Wasserknappheit. Gleichzeitig ziehen sie nützliche Insekten an. Für uns haben die holzig-harzigen Aromastoffe aus dem Wald eine ähnliche Wirkung. Sie reinigen zum einen unsere Atemwege. Zum anderen erhöht sich beim Einatmen automatisch die Zahl der Killerzellen im Organismus. Diese schützen uns vor Krankheitserregern und sollen sogar potenzielle Tumorzellen in die Flucht schlagen. Das Erstaunliche daran: Ein Besuch bei „Doktor Wald“ hallt noch lange nach. Etwa eine Woche lang bleiben unsere Abwehrkräfte hochaktiv und profitieren von der Luft der „grünen Lunge“. 

Der Wald als ­Therapie

Heilwälder – eine Sonderkategorie – gibt es in Deutschland erst seit 2011. Dabei handelt es sich um Waldgebiete, die aufgrund verschiedener Eigenschaften als besonders gesundheitsfördernd gelten. Heil- und Kurwälder sind speziell zur therapeutischen Nutzung gestaltet und bieten Patient*innen mit Erkrankungen der Atemwege, des Bewegungsapparates, der Haut und des Herz-Kreislaufsystems sowie mit psychosomatischen Indikationen verschiedene Wald-Heilwege und Stationen. Balancierbalken, Findlingsparcours, Sensorikpfade – um nur wenige zu nennen – dienen dem Muskelaufbau, der Sturzprophylaxe, ebenso dem Koordinations-, Gleichgewichts- und Konzentrationstraining. Meditative Achtsamkeits- und Bewegungstherapien helfen Menschen mit Ängsten, Burnout und Depressionen, zurück zu ihrem seelischen Gleichgewicht zu finden. Die ersten Heil- und Kurwälder entstanden in Heringsdorf in Mecklenburg-Vorpommern, inzwischen gibt es sie in fast allen Bundesländern.

Quelle: S&D Verlag GmbH, Geldern – https://leserservice.sud-verlag.de

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