Hormone im Frühlingshoch

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Alles fühlt sich auf einmal ein wenig leichter an: Mit den Temperaturen steigt im Lenz die Laune, und auch unsere Flirtbereitschaft nimmt zu – so die Theorie. Und tatsächlich geht’s in unserem Hormonhaushalt jetzt rund

Knospen sprießen, Sonnenstrahlen kitzeln unsere Haut: Die Natur erwacht, und wir mit ihr. Endlich wandern Daunenjacke und Thermohose in den Winterschlaf – doch das in die Höhe kletternde Thermometer ist nicht der ausschlaggebende Grund für die Veränderung, die wir mehr oder weniger pünktlich zum Frühlingsbeginn erleben. Vielmehr sorgen die aktuellen Lichtverhältnisse dafür, dass es nicht nur im Grünen, sondern auch in unserem Organismus hoch hergeht. Denn durch die zunehmende Helligkeit dringen mehr UV-Strahlen über unsere Augen zur Zirbeldrüse vor. In der Folge produzieren wir weniger Melatonin. Das Schlafhormon ist für die in der dunklen Jahreszeit verstärkt vorherrschende Müdigkeit und eine gewisse Trägheit verantwortlich; sein abnehmender Pegel lässt uns automatisch aus dem Winterschlaf erwachen.

Stress- und Schmerzbremse

Nicht nur, dass wir uns durch die gebremste Melatoninproduktion aktiver fühlen, weil der Stoffwechsel aus dem Schritt in den Trab wechselt: Gleichzeitig nimmt auch die Bildung anderer Botenstoffe zu, die als Glückshormone bekannt sind, wie Serotonin, Dopamin und Endorphin. Ersteres wirkt als klassischer Gegenspieler des Melatonins wie ein körpereigener Muntermacher, Dopamin ist als enger Verwandter des Adrenalins für emotionale Hochgefühle mitverantwortlich. Und der Neurotransmitter Endorphin, der für gute Laune sorgt und uns unempfindlicher macht gegen Hunger, Stress und Schmerzen, steht in Verbindung mit der Produktion von Sexualhormonen. Kein Wunder also, dass im Frühling das Stimmungsbarometer ebenso steigt wie unsere (Lebens-)Lust! 

Lichte Laune

Zudem motiviert uns das Wetter, uns nun mehr draußen aufzuhalten. Neben der frischen Luft bringt uns dies auch eine Extraportion UV-Licht ein. Und treffen Sonnenstrahlen auf die Haut, bildet sie Vitamin D, das über den dunklen Winter hinweg Mangelware war. Dieser für unser Immunsystem und den Knochenstoffwechsel wichtige Nährstoff ist auch für die Psyche von großer Bedeutung: Ein niedriger Vitamin-D-Spiegel kann Depressionen begünstigen, da das sogenannte Sonnenvitamin Einfluss auf die Herstellung von Serotonin und Dopamin nimmt. Lacht die Sonne vom Himmel, haben somit auch wir besser lachen. Und noch einen weiteren Effekt hat das fettlösliche Vitamin, das nur in geringen Mengen über Lebensmittel (etwa Champignons, Eier, Milchprodukte) aufgenommen werden kann: Es ist direkt an der Produktion von Östrogen, dem weiblichen Sexualhormon, beteiligt. Machen wir im Sonnenschein nicht nur einen Spaziergang, sondern bewegen wir uns ein wenig schweißtreibender, pusht das unser hormonelles Hoch noch mehr: Nachweislich steigt unsere Konzentration an Glückshormonen bei sportlicher Betätigung.

Auf Kuschelkurs

Hormonbiolog*innen führen den Anstieg von Lust und Laune im Frühling auch auf optische Reize zurück: Unsere Haut, die im kalten Winter unter mehreren Textilien-Schichten verborgen blieb, zeigen wir nun wieder vermehrt. Ob schöne Beine, ein muskulöser Bizeps oder das nicht mehr vom dicken Schal bedeckte Dekolleté: So mancher Anblick fängt unsere Aufmerksamkeit ein und macht neugierig auf mehr …

Übrigens: Wird aus dem lockerleichten Frühlingsflirt „mehr“, und wir verlieben uns, fallen die gerade noch hohen Serotoninwerte rasch in den Keller. Wer richtig verknallt ist, hat einen ebenso niedrigen Spiegel wie Menschen mit einer Zwangsstörung. Forscher*innen sehen darin eine Erklärung für die emotionale Fixierung auf eben jene Person – ein Verhalten, das einer Neurose tatsächlich nicht unähnlich ist. Gut für alle, die’s „erwischt“ hat: Beim engen Hautkontakt mit der oder dem Liebsten wird reichlich Oxytocin ausgeschüttet. Das „Kuschelhormon“ sorgt ebenfalls für positive Gefühle, seine Wirkung lässt allerdings rasch nach. Deshalb: Schnell weiterschmusen!

Quelle: S&D Verlag GmbH, Geldern – leserservice.sud-verlag.de

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