Brot und Zeit

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Brot und Zeit

 

 

Mit Zwieback fing alles an. Uschi Glas aber wollte mehr. Die bekannte Schauspielerin gründete vor 10 Jahren den Verein „brotZeit e.V.“ und ermöglicht heute 9.000 bedürftigen Schulkindern jeden Morgen ein ausgewogenes Frühstück. Liebevoll zubereitet von ehrenamtlichen Senioren.

 

Von Stefanie Deckers

Uschi Glas, die bekannte Schauspielerin, ist die Initiatorin des Projektes „brotZeit e.V.“. Für ihr soziales Engagement verlieht ihr der Verein „Kinderlachen“ den Kinder-Award.

 

 

Frau Glas, wie ist Ihre Idee zu „brotZeit e.V.“ entstanden?

Uschi Glas:Ein Radiobeitrag hat mich aufgerüttelt. Ich war fassungslos, als ich dies hörte: In einer reichen Stadt wie München geht jedes vierte Kind ohne Frühstück und ohne Pausenbrot in die Schule. Offenbar ist vielen Eltern nicht bewusst, dass ihre Kinder unkonzentriert sind, wenn sie Hunger haben. Mir war sofort klar, dass ich handeln muss. In vier Grundschulen in sozialen Brennpunkten Münchens haben wir angefangen. Eine Schulleiterin bat um Zwieback und ein Glas Wasser für die Kinder, die unterzuckert im Unterricht sitzen. Also haben wir Notfallboxen mit Knäckebrot, Müsliriegeln und Butterkeksen gepackt. Gleichzeitig dachte ich: „Das kann doch nicht alles gewesen sein!“

 

 

Wie ging es weiter?

Uschi Glas:Meine Vision war ein gesundes und ausgewogenes Frühstück mit frischem Obst für alle Kinder. Wir gründeten einen Verein und siehe da: Wir bekamen Hilfe. Eine Supermarktkette unterstützt uns seitdem. Nicht mit B-Ware, sondern mit Lebensmitteln direkt aus dem Zentrallager. Blieb die bange Frage offen: Wer sollte so ein Schulfrühstück an fünf Tagen in der Woche zubereiten? Die ersten Senioren übernahmen diese wertvolle Aufgabe. Eine Idee, die aus der Not heraus geboren wurde, hat sich nach dem Schneeballprinzip fortgesetzt. Heute sind wir an 9 Standorten in ganz Deutschland vertreten. Mehr als 1.200 ehrenamtliche Helfer richten täglich für 9.000 Kinder ein gesundes Frühstücksbüffet her. Chancengleichheit beginnt nunmal mit dem Frühstück. Alle haben den gleichen Start in den Tag.

 

 

Stellen Sie eine Veränderung in den Schulen fest, die von „brotZeit e.V.“ betreut werden?

Uschi Glas:Auf jeden Fall. Die Kinder essen gemeinsam und lernen sich kennen. Das Aggressionspotenzial ist in den Schulen merklich gesunken. Die Leistungen hingegen sind gestiegen. Plötzlich kommen die Kinder pünktlich zur Schule, was vorher nicht selbstverständlich war. Das Frühstück ist ein Anreiz. Das Wiedersehen mit den Helfern aber auch. Unsere brotZeit-Senioren sind für die Kinder Ersatz-Omas und -Opas geworden. Sie lesen vor, hören zu und schlichten, wenn es mal Streit gibt. Auf gute Manieren legen sie großen Wert und darauf, dass am Tisch nur deutsch gesprochen wird. Unsere Helfer haben viel Spaß an dieser Arbeit, weil sie sich gebraucht fühlen. In all den Jahren ist nicht ein einziges Frühstück ausgefallen. Alle nehmen ihre Verantwortung sehr ernst und geben den Kindern das, was sie am meisten brauchen: Brot und Zeit. 

 

Stichwort: mehr als Essensausgabe. Soll sich das Projekt noch weiter ausweiten?

Uschi Glas:Es hat sich bereits weiterentwickelt. In Freistunden und nach Schulschluss helfen qualifizierte Senioren bei den Hausaufgaben. In einigen Städten bestehen Kooperationen mit Schachclubs und -vereinen, die den Kindern das Schachspielen beibringen. Selbstverständlich wollen wir noch weiter wachsen. In München, Berlin, Hamburg, Heilbronn, Leipzig, Nürnberg, Salzgitter und Duisburg gibt es die „brotZeit“ bereits. Demnächst kommen Dresden und Frankfurt a.M. hinzu. Uns ist bewusst, dass auch kleinere Städte unsere Hilfe benötigen. Mein Wunsch ist, dass Bund und Länder die Notwendigkeit erkennen. Bislang sind wir auf Spenden und Ehrenamt angewiesen. 

 

Wie sind Ihre Gedanken und Gefühle zur brotZeit heute?

Uschi Glas:Ich bin sehr gerührt vom sozialen Engagement unserer Helfer. Mir geht das Herz auf, wenn ich erlebe, wie wichtig die Beziehung zwischen den Kindern und Senioren geworden ist. Ich denke, das Schicksal hat mich gelenkt. Ohne den Radiobetrag, der mitten in meine Seele getroffen hat, gäbe es die „brotZeit“ heute nicht. 

 

 

brotZeit e.V. in Zahlen

„brotZeit e.V.“ unterstützt seit 2009 Grund- und Förderschulen in sozialen Brennpunkten. In 9 Städten bekommen rund 9.000 Kinder jeden Morgen ein gesundes Frühstück. Der Verein lebt von Spenden und vom Ehrenamt. 1.200 brot-Zeit-Senioren haben bislang mehr als 6 Millionen Frühstücke verteilt, sorgen für Integration, eine sinnvolle Freizeitgestaltung und ein respektvolles Miteinander.     

 

 

 

Mehr Informationen:

www.brotzeitfuerkinder.com

 

 

 

 

 

 

Quelle: S&D Verlag GmbH, Geldern – https://leserservice.sud-verlag.dehttps://leserservice.sud-verlag.de