Chaos – auch in Ordnung

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Schlüssel verlegt, Brille auf Abwegen – wissen Sie immer, wo sich Ihre Sachen befinden? Das Bedürfnis nach Ordnung ist nicht bei uns allen gleich. Was ist dran am Zusammenhang zwischen äußerer und innerer Struktur oder am kreativen Chaos? 

»Seine Schuhe steh’n in Reih und Glied: ein Anblick, den man gerne sieht«: So besang Herbert Grönemeyer die Begegnung mit einer strukturierten Persönlichkeit. Beim Betreten eines Hauses oder Zimmers ist auf den ersten Blick klar, ob hier ein Anhänger des Chaos oder ein Ordnungsfanatiker wohnt. Dem einen sind akkurat gefaltete und farblich sortierte Kleidungsstapel ein Graus, dem anderen stellen sich schon beim Anblick herumliegender Socken die Nackenhaare auf. Fest steht: Es gibt nicht die eine Ordnung, sondern individuell unterschiedliche Empfindungen darüber.

Eine Frage der Persönlichkeit

Erziehung und das Vorbild-Verhalten der Eltern sind laut Expertenmeinung eher geringe Einflussfaktoren auf den individuellen Ordnungssinn. Eine wichtigere Rolle spielen vermutlich die Gene. Zudem wirken sich gewisse Umweltfaktoren, also verschiedene Reize von außen, auf die eigene Positionierung zwischen »Aufräumfimmel« und »Hempels‘ Sofa« aus. In jungen Jahren bilden sich die sogenannten Big Five der Persönlichkeit, die unsere Einstellungen und Merkmale im Leben bestimmen. Neben dem Grad für Extravertiertheit, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und der Neigung zu Nervosität und Unsicherheit (Neurotizismus) werden die Weichen für die persönliche Gewissenhaftigkeit und damit auch für die Relevanz von Ordnung gelegt.

Außen wie innen?

Ordnung gilt als Tugend, sprichwörtlich sogar als »das halbe Leben«. Und Menschen, die viel Wert auf Sortierung und Struktur legen, haben zumindest in den Köpfen ihrer Mitmenschen einen Vorteil. Wie Untersuchungen ergaben, gelten sie als gut organisiert, umgänglich und zuverlässig. Bewohner eines mehr oder minder gepflegten Durcheinanders rufen dagegen das Bild eines verpeilten, sozial inkompatiblen Nerds auf den inneren Bildschirm. So oder so ein Vorurteil. Objektiv betrachtet ist Ordnung zumindest ein Zeitsparmodell: Schnelles Wiederfinden ist garantiert. 

Macht Chaos kreativ?

Unordnung gilt als Heimat der Freigeister. Fantasie und Lebensfreude statt Spießertum und Oberflächlichkeit schreiben sich diejenigen auf die Fahne, die sich vom Slalomparcours durch die Wohnung nicht aus der Ruhe bringen lassen. Entscheidend ist laut Neurowissenschaftlern nicht die außen sichtbare, sondern die mentale Ordnung, also diejenige, die innerer Logik folgt. Solche »geistigen Landkarten« sind eben von Mensch zu Mensch verschieden.

Wie so oft liegt in allem ein Quäntchen Wahrheit. Bedenklich wird es, wenn Extreme entstehen. Zwanghafter Ordnungssinn ist genauso schädlich wie den Überblick komplett zu verlieren. 

Aufräumen für die Seele 

Der Effekt, dass Ordnung schaffen auch Geist und Seele guttut, ist vielen Menschen bekannt. Forscher fanden tatsächlich einen Zusammenhang zwischen regelmäßigem Aufräumen und einem reduzierten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen. Chaos zu beseitigen, scheint also doch gesünder zu sein, als man denkt. Das können viele Paare mit einem Seufzer bestätigen. 

Quelle: S&D Verlag GmbH, Geldern – leserservice.sud-verlag.de

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