Hilfe für die Waisen der Medizin

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Seltene Erkrankungen betreffen schätzungsweise mehr als vier Millionen Menschen allein in Deutschland. Seit über einem Jahrzehnt haben sie eine prominente Stimme, die Gehör findet: Eva Luise Köhler, Ehefrau des früheren Bundespräsidenten Horst Köhler, ist Schirmherrin der Allianz Chronischer seltener Erkrankungen.

Doppelt benachteiligt 

Als selten gilt eine Krankheit in der Europäischen Union, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Die geringe Zahl Betroffener hat eine weitreichende Folge: Die medizinische Forschung behandelt diese Krankheiten als sogenannte Waisenkinder. Die Entwicklung von neuen Medikamenten und Therapien ist wirtschaftlich kaum vertretbar. Und so werden die seltenen Krankheiten nicht nur häufig spät erkannt – es stehen auch vergleichsweise wenige Medikamente und Therapien zur Verfügung. 

Häufig geht’s um Kinder 

Betroffen sind tatsächlich auch nur vergleichsweise wenige Menschen, in den meisten Fällen allerdings Kinder. Für sie verbirgt sich hinter den seltsamen Namen häufig eine lange und leidvolle Irrfahrt von Arzt zu Arzt ohne Aussicht auf Hilfe und Heilung. Irgendwann in ihren ersten Lebensjahren treten ungewöhnliche Symptome auf: Sie vergessen Wörter. Sie fallen nach dem Lachen regelmäßig vom Stuhl. Sie verlieren nach und nach ihre Sehkraft. Eltern bringt eine über einen langen Zeitraum erfolglose Suche nach den Ursachen an den Rand der Verzweiflung.

Zu den betroffenen Eltern zählte einst auch Eva Luise Köhler: Zehn Jahre hat es gedauert, bis sie für ihre Tochter Ulrike die richtige Diagnose fand. Sie leidet an der seltenen Erbkrankheit Renitis Pigmentosa. „Es war reiner Zufall, dass wir in den USA einen Arzt fanden, der die richtige Diagnose stellte“, erzählt Eva Luise Köhler. Aber auch der Spezialist konnte die Erblindung nicht mehr aufhalten. 

Werben um Aufmerksamkeit 

1947 in Ludwigsburg geboren, wurde die gelernte Grundschullehrerin 2004 die erste Frau des Staates an der Seite ihres Mannes, des Bundespräsidenten Horst Köhler. Mit Leidenschaft übernahm sie die Schirmherrschaft für den Dachverband Allianz Chronischer seltener Erkrankungen e.V. – und engagierte sich weit darüber hinaus. Seit 2006 setzt sich die Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für Menschen mit seltenen Erkrankungen ein und konzentriert sich insbesondere auf die Forschungsförderung. Seit 2009 schreibt die Stiftung jährlich den auf 50.000 Euro dotierten Eva Luise Köhler Forschungspreis für Menschen mit seltenen Erkrankungen aus. Sie fördert und vernetzt damit auch Wissenschaftler. „Menschen mit einer chronischen seltenen Erkrankung haben eine besonders schwere Lebenssituation zu meistern“, weiß sie und wirbt unermüdlich um Aufmerksamkeit für die Waisenkinder der Medizin. 

Sinnstiftendes Engagement 

Und so gibt es zwischen den vielen leidvollen Lebenswegen immer wieder Geschichten mit einem Happy End. Das Kind, das an der seltenen Stoffwechselerkrankung mit der unaussprechlichen Bezeichnung 3Beta-Hydroxysteroid-Delta 5-C27-Steroid-Dehydrogenase-Mangel leidet, erfuhr aus dem Netzwerk von einem kleinen Pharmaunternehmen in Frankreich, das die fehlende Gallensäure als Tablette anbietet. Bis an sein Lebensende muss der Junge Tabletten nehmen – und entwickelt sich inzwischen wie jedes andere gesunde Kind. 

Es sind Erfolgsgeschichten wie diese, die Eva Luise Köhlers Engagement beflügeln. „Das Lächeln eines schwer kranken Kindes oder eine Geste der Eltern ist für viele Menschen ein Ansporn für ein oft unglaubliches Engagement. Das kann sehr sinnstiftend sein“, sagt sie. „Und viele Menschen erkennen, dass ein materielles ‚immer mehr‘ nicht automatisch ein glücklicheres Leben bedeutet.“ 

Schätzungsweise mehr als 30 Millionen Menschen in der Europäischen Union leiden unter einer seltenen Krankheit. Informationen für Betroffene sowie Ärzte und Therapeuten vermittelt die Allianz Chronischer seltener Erkrankungen auf der Website www.achse-online.de.

Für eine bessere Information und Versorgung von Betroffenen setzt sich außerdem das nationale Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Erkrankungen (NAMSE) ein unter www.namse.de.


Der Forschungsförderung widmet sich die Eva Luise und Horst Köhler Stiftung. Nähere Informationen unter www.elhks.de.

Quelle: www.ratgebergesund.de

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