Sind Sie ein People Pleaser?

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Wohl jede*r wünscht sich bisweilen die Anerkennung der ­Mitmenschen. Doch bei einigen geht das Streben danach, es anderen recht machen zu wollen, zu weit: Die eigenen Bedürfnisse bleiben dabei auf der Strecke. Kommt Ihnen bekannt vor? Keine Sorge, es gibt Auswege.

Andere Menschen zufriedenzustellen, so die Übersetzung des Begriffs „People Pleasing“, ist natürlich grundsätzlich nichts Schlechtes. Empathie und Hilfsbereitschaft sind absolut begrüßenswerte Eigenschaften, von denen es in der Welt gern mehr geben darf. Problematisch kann es aber werden, wenn die Motivation, Dinge zu tun, um andere glücklich zu machen, nicht Altruismus heißt – sondern Unsicherheit.

Haben Sie reichlich Zeit und möchten diese beispielsweise für ein Ehrenamt nutzen? Wunderbar! Sie verbringen sinnstiftende Stunden und werden mit dem guten Gefühl, etwas zu bewegen und im besten Fall einer authentischen Portion Dankbarkeit belohnt. Anders sieht es aus, wenn Sie von A nach B hetzen und der Tag ohnehin schon 30 Stunden haben müsste, um alle Aufgaben zu bewältigen. Hand aufs Herz: Übernehmen Sie da voller innerer Überzeugung eine Arbeit der Kollegin, damit sie zeitig zu einem privaten Termin verschwinden kann? Oder backen 50 Muffins für den Kita-Flohmarkt am Wochenende, worum Sie der Elternbeirat zwischen Tür und Angel bittet?

Gefrustet statt glücklich

Auf solche „Bist du so lieb …“-Fragen würde bei vielen von uns die ehrliche Antwort wohl „Nein“ lauten. Aber so ein Nein kann ganz schön unangenehm sein – so unangenehm, dass wir stattdessen lieber „klar, mach ich gern“ sagen. Und uns hinterher, im Unterschied zum beglückenden Beispiel-Ehrenamt, nicht stolz auf die eigene Schulter klopfen, sondern vielmehr aus Frust in den Allerwertesten beißen könnten. Zur durch die Zusatzaufgabe gestohlenen Zeit gesellt sich also auch noch die Unzufriedenheit mit uns selbst. Warum tun wir’s dann bloß?

Ganz einfach: Wir wollen gefallen. Die Anerkennung von anderen ist eine wahre Streicheleinheit für unser Ego; kaum jemand fühlt sich dauer­haft wohl und mental auf der Höhe ohne Bestätigung von außen. Bei People Pleasern, so Fachleute, ist die Fixierung auf die Meinung ­ihrer Mitmenschen jedoch erheblich stärker; damit verbunden die Angst, durch ein Nein in Ungnade zu fallen. Doch wer niemanden enttäuschen will, gerät früher oder später in einen Konflikt mit den eigenen Interessen (Schlafe ich heute Nacht oder backe ich Muffins?). Und das verursacht psychische und physische Belastungen.

Anpassung aus Angst vor Ablehnung

Wer ständig die eigenen Grenzen verschiebt, um Menschen im Umfeld bei Laune zu halten, riskiert die Gesundheit, sind Psycholog*innen sicher. Er­ho­lungsphasen kommen zu kurz, der Stresshormonpegel steigt. Die Folge: Unsere Schlafqualität verschlechtert sich, das Herz kann aus dem Gleichgewicht geraten, Diabetes- und Depressionsrisiko klettern in die Höhe. Auch das Selbstwertgefühl leidet, wenn wir permanent gegen unsere Bedürfnisse handeln – und Überzeugungen: People Pleaser neigen nämlich nicht nur zur Strapaze eigener Ressourcen, sie halten auch häufig mit ihrer Meinung, sollte sie von der des Gegenübers abweichen, hinterm Berg. Bloß nicht widersprechen, um Konflikte und mögliche daraus resul­tierende Ablehnung zu vermeiden.

Spätestens, wenn die eigenen Kräfte aufgebraucht sind oder wir das Gefühl haben, uns vor lauter Anpassung an andere selbst zu verlieren, wird es Zeit für eine neue Strategie.

Mutiger mit ­Methode

Konzentrieren Sie sich dazu erst einmal auf IHR Wohlbefinden: Welche Bedürfnisse haben SIE? Schreiben Sie auf, was Ihnen guttut, und behalten Sie die Liste regelmäßig im Blick. Bemerken Sie, dass Ihre Interessen im Alltag zu kurz kommen, verschaffen Sie sich Zeitinseln da­für, etwa für ein ausgiebiges Vollbad, zum Musikhören, für Hobbys … Die Termine müssen nicht fix sein, doch feste Zeiten können die Kommunikation vereinfachen. („Dienstagabends habe ich keine Zeit, da backe/lese/lerne/spiele ich immer.“)

Neinsagen fällt Ihnen schwer? Räumen Sie sich bei Anliegen und Bitten grundsätzlich eine Bedenkzeit ein: „Ich sage dir gleich/später Bescheid, ob ich Tätig­keit X für dich übernehmen kann, muss zuerst meine Termine checken.“ Überlegen Sie sich dann in Ruhe, ob Sie die Aufgabe wirklich übernehmen möchten – oder ob Sie es nur aus Angst vor den Folgen eines Neins täten. Ist dies der Fall, „üben“ Sie, Grenzen zu setzen. Zunächst bei nicht nahestehenden Personen und eher unwichtigen Inhalten. („Ich kann diese Woche keine 50 Muffins fürs Kita-Fest backen, da ich andere Verpflichtungen habe.“) Eine Alter­na­tive erleichtert das Ablehnen: „Ich könn­te stattdessen 20 Donuts im Supermarkt besorgen“ – ist aber selbstverständlich kein Muss.

Sie werden sehen: Für die eigenen Bedürfnisse einzustehen, klappt von Mal zu Mal besser. Das Selbstwertgefühl steigt, der Stressfaktor sinkt. Natürlich fällt es uns in engen Beziehungen schwe­rer, ein Anliegen abzuschlagen. Aber Übung macht bekanntlich den Meister, beziehungsweise die Meisterin – und beinhaltet die befreiende Erfahrung, dass uns niemand die Freundschaft kündigt, nur weil wir mal keine Zeit oder eine andere Meinung haben. Selbst wenn doch: Mal ehrlich, was zählt Sympathie, die nur darauf beruht, dass wir uns verleugnen und verbiegen …?

Quelle: S&D Verlag GmbH, Geldern – leserservice.sud-verlag.de

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